Entscheidungs-Check: Braucht Europa eine eigene Armee?

Der französische Präsident Emmanuel Macron meint:

Europa braucht eine „wahre europäische Armee“.

Die Medien, darunter zum Beispiel die F.A.Z. oder das Onlinemagazin Telepolis haben darüber breit berichtet. Wie zielführend ist Macrons Vorschlag? Im Rahmen des aktuellen Projekts Twelve Stars, bei dem Philosophen Politikvorschläge für Europa erarbeiten und diskutieren, haben wir uns diesen Sommer mit genau diesem Thema befasst: einer europäischen Armee. Dabei wurde der Politikvorschlag einem Devil’s-Advocate-Test unterzogen.

Zuerst der Vorschlag, unterbreitet von Cecile Fabre, politische Philosophin an der Oxford University:

Vorschlag: Die EU sollte ihre bereits existierenden (aber bislang niemals eingesetzen) EU-Streitkräfte zu einer voll einsatzfähigen Armee ausbauen.

Motivation: Eine einsatzfähige und und unabhängie EU-Armee würde helfen, regionale Stabilität zu unterstützen und humanitäre militärische Aktionen zu tätigen, ohne dass man dabei auf NATO-Strukturen zurückgreifen müsste oder auf die Grenzen von UN-Friedensmissionen beschränkt wäre.

Hier noch einmal in Diagrammform: Der Vorschlag sowie die Resultate der Diskussion, die Twelve Stars auf den Seiten von Change my View durchgeführt hat:

Das Diagramm zeigt den  Politikvorschlag (Icon: Schalthebel), erwünschte unmittelbare Effekte (Zauberer-Hand) sowie angestrebte Ziele (Zielscheibe). Die gekreuzten Schwerter zeigen an, welche Punkte innerhalb des Gesamtkonstrukts im Devil’s-Advocate-Test kritisiert wurden. (Nämlich so gut wie alle – was längst nicht bei allen Diskussionen von Twelve Stars so war). Das Schema wurde dazu verwendet, um die Diskussion des Devil’s-Advocate-Test im nachhinein zu strukturieren und zusammenzufassen.

Hier die wichtigsten Punkte:

#proposal: Eine voll einsatzfähige EU-Armee – geht das überhaupt?

„Die einzigen einsatzfähigen Armeen innerhalb der EU sind jene von Frankreich und Großbritannien. Es ist völlig undenkbar, dass Frankreich und Großbritaniien ihre militärische Auslandspolitik Mehrheitsentscheidungen der EU unterstellen würden.“ (Tom_Bombadil1)

„Hat die EU denn 70.000 Männer im militärfähigen Altern und einige hundert Milliarden Euros übrig?“ (Grunt08)

#enables… : Braucht es eine EU-Armee, um außerhalb von NATO-Strukturen agieren zu können?

„Mir scheint, dass die EU doch schon jetzt in der Lage ist, ihre Streitkräfte einzusetzen, ohne dass es dafür einer Authorisierung durch den UN Security Council bedarf.“ (marcomeyer)

#helps…: Stimmt es, dass man außerhalb von NATO-Strukturen und über die UN-Friedensmission hinaus tätig sein muss, um regionale Stabilität zu gewährleisten und humanitäre militärische Aktionen ausführen zu können?

„Gibt es aus den letzten 50 Jahren ein Beispiel dafür, dass es einer EU-Armee bedarft  hätte, die nicht an die NATO und an die UN-Friedensmission gebunden ist?“ (frbnfr)

Eine EU-Armee wäre ein Freiticket in Richtung Tyrannei. Man könnte französische oder deutsche Soldaten dafür einsetzen, Ungarn oder Italien unter Kontrolle zu halten und italienische und ungarische Soldaten, um Deutschland und Frankreich auf Linie zu halten.“ (HerLadyBritannia)

#impacts other goals: Operationen außerhalb von NATO und UN-Friedensmission bergen schwere Risiken.

„Man würde es riskieren (…), das wir unsere unschätzbar wertvolle Beziehung zu den USA beschädigen und so viel Druck auf die Souveränität der EU-Mitgliedstaaten ausüben, dass die EU daran zerbrechen würde.“ (Grunt08)

Zusätzlich zu der Aufbereitung der Argumente aus der Online-Debatte hat die Twelve Stars-Redaktion auch einen Factsheet erarbeitet, der zeigt, wie das Thema „EU-Armee“ in Brüssel politisch verankert ist.

Die Resultate des Projekts Twelve Stars (in denen sich die Philosophin Cecile Fabre auch mit den vorgebrachten Einwänden auseinandersetzt)  werden im Frühjahr 2019 zuerst online und dann in Buchform veröffentlicht. Wenn Sie darüber informiert werden möchten, hinterlassen Sie bitte Ihre Email beim Twelve Stars-Newsletter („sign up„).