Hypothesengeleitete Problemstrukturierung

Hypothesengeleitete Problemstrukturierung unterstützt Überlegungs- und Lösungsfindungsprozesse indem es

  • verborgene Annahmen sichtbar macht
  • Ausgangsvermutungen präzisiert
  • Ideen einordnet (in Kategorien wie: Fragen, Thesen, Argumente u.ä.)
  • Überlegungsinhalte in eine für den Entscheidungsprozess relevante Abfolge bringt
  • als Instrument der Wissenssynthese auch in verworrenen Situationen den Überblick gewährleistet
  • den Blick darauf lenkt, welche Art von Evidenz nötig oder denkbar wäre, um offene Fragen zu klären oder getätigte Annahmen zu überprüfen. (Arten von Evidenz sind z. B. Statistiken, Laborversuche, Fallstudien oder Präzedenzfälle.)

Hypothesen spielen nicht nur in kontroversen Dialogen eine Rolle. Auch Ideen, Planungsvorhaben oder Konstruktionspläne lassen sich als Hypothesen begreifen. Ein Beispiel:

Die Titanic-Hypothese

Wie baut man ein sinksicheres Schiff?

Schiffe sinken bei Kollisionen mit anderen Schiffen!

Lösung, die von den Konstrukteuren der Titanic favorisiert wurde.

 

Das unvorhergesehen Ereignis: Die Konstrukteure der Titanic gingen davon aus, dass Luftkammern, die durch horizontale und vertikale Trennwände voneinander separiert sind, in jedem Fall ausreichenden Schutz gegen den Verlust von Auftrieb nach einer Kollision bieten. Ein Irrtum: Zwar hätten die Luftkammern das Schiff bei einem punktuellem Zusammenstoß tatsächlich schützen können. Bei der Kollision mit dem Eisberg jedoch wurde der Schiffskörper seitlich aufgeschlitzt.

Die Lösung hätte darin bestanden, das seitliche Aufschlitzen der Schiffswand als möglichen Schadensfall zu antizipieren. Zwar ist es mit den Mitteln der Konstruktionstechnik nicht möglich, in diesem Fall ausreichend Schutz zu gewährleisten. (Das Beispiel der Costa Concordia zeigt, dass Schiffe, die seitlich aufgeschlitzt werden, immer noch sinken.) Aber die Besatzung hätte dahingehend instruiert werden können, im Falle einer drohenden Kollision einen Frontalkurs zu fahren. Im Fall der Titanic wäre dies möglich gewesen – und die Katastrophe hätte wahrscheinlich vermieden werden können.

 

Hintergrund

Hypothesengeleitete Problemstrukturierung geht von der Annahme aus, dass Kreativität und Kritik keine Gegensätze sind, sondern sich gegenseitig ergänzen. Erst in der Auseinandersetzung mit Kritik können vorhandene Lösungsvorschläge weiter entwickelt und geschärft werden. Insofern kann der Ansatz auch zu den Kreativtechniken gezählt werden. Dabei verfolgt hypothesengeleitete Problemstrukturierung die denkbar einfachste Lösungsstrategie:

  • Bei der Suche nach Lösungen müssen alle wesentlichen Punkte berücksichtigt werden
  • Die Entscheidungsfindung muss wirklich tatsächlich eine geeignete Lösung herausfiltern

Hypothesengeleitete Problemstrukturierung eignet sich nicht nur zur Entscheidungsanalyse, sondern auch zur Unterstützung des so genannten positionsbezogenem Verhandeln („Harvard-Konzept“). Ein wichtiges Prinzip dieser Methode besteht darin, als Verhandlungspartner auf der Anwendung neutraler Beurteilungskriterien zu bestehen. Hypothesengeleitete Problemstrukturierung hilft dabei, Beurteilungskriterien zu Beurteilung strittiger Fragen explizit zu machen.

Hypothesengeleitete Problemstrukturierung wird je nach situativer Erfordernis begleitet von weiteren Verfahren der Entscheidungsanalyse wie zum Beispiel Einfluss-Diagrammen, Stakeholder-Mapping, SWOT-Analyse, Concept Maps, Entscheidungsbäumen und Szenariotechniken sowie Multi-Kriterien-Analyse.