Rationale Blender

Hugo Mercier, University of Pennsylvania, und Dan Sperber, Jean Nicod Institute Paris, haben in der Zeitschrift Behavioral and Brain Sciences einen umfangreichen Beitrag mit dem Titel “Why do humans reason? Arguments for an argumentative theory” veröffentlicht.

Die “Argumentative Theory”, für die sich die beiden Wissenschaftler stark machen, erklärt die Entstehung des menschlichen Vermögens zu vernünftigem Überlegen nicht durch die Überlebensvorteile, die durch das Auffinden wahrer Tatsachen und richtiger Lösungen entstehen, sondern vielmehr durch die Vorteile erfolgreicher Rechthaberei. Die eigentliche Funktion der rationalen Fähigkeiten, so die Theorie, liegt darin, dass man mit ihrer Hilfe Mitmenschen überreden und auf seine Seite zu ziehen kann. Dies führt zu der Hypothese:

“Reasoning should produce its best results when used in argumentative contexts, most notably in group discussions”

Viele rationalen Fehlleistungen, die bisher in der psychologischen Forschung beobachtet wurden, erscheinen im Licht der neuen Theorie als durchaus schlüssig. So zum Beispiel der bekannte “confirmation bias”. Die Fehlleistung besteht hier darin, dass Menschen dazu neigen, sich von einer einmal gefassten Meinung kaum abbringen zu lassen, und es ihnen viel leichter fällt, Argumente zu finden, die ihre Meinung stützt, als solche, die diese widerlegen. Außerdem wurde beobachtet, dass in der Entscheidungsfindung solche Entscheidungen bevorzugt wurden, die einfacher zu begründen waren – ohne dass diese notwendiger Weise auch die besseren waren. Die argumentative Theorie erklärt beide Fehlleistungen damit, dass die Ausbildung solcher Verhaltensweisen für den ‘rationalen Blender’ durchaus vorteilhaft ist.

Interessant: Nicht nur, dass Menschen in Debatten sich argumentativ mehr anstrengen und auch bessere argumentative Leistungen hervorbringen, als wenn sie allein vor sich hin überlegen. Auch der confirmation bias gleicht sich in der Gruppe aus.

Einige Wissenschaftler betrachten die argumentative theory allerdings eher mit Skepsis.

“Contrary to the claims by Mercier & Sperber, a wide literature supports the contention that the particular skills of understanding, evaluating, and producing arguments are generally ppor in the population of people who have not had specific training and that specific training is what improves these skills”

schreibt Maralee Harrel in ihrem Review in [DDET Behavioral and Brain Sciences]

Harrell, M., 2011. Understanding, evaluating, and producing arguments: Training is necessary for reasoning skills. Behavioral and Brain Sciences, 34(02), S.80-81.[/DDET]