Einsatzfelder
Beteiligungsverfahren
„Mich interessiert die informierte Meinung von Bürgern und anderen Stakeholdern zu einem Entwicklungsvorhaben.“
Expertenkonsultation/ad hoc-Think Tank
„Ich benötige ein Verfahren, um Expertise besser bündeln zu können.“
Zukunftsszenarien
„Ich brauche valide Abschätzungen zu Zukunftstrends und Entwicklungsszenarien.“
Hypothesengetriebene Produktentwicklung
„Ich möchte Feedback zu einem Innovationsvorhaben erhalten – von Leuten, die Ahnung haben.“
Features
- Nur-Online (asynchron) oder Kombination von synchronen Veranstaltungen (präsenz oder online) und Remote-Phase
- Optimale Incentivierung von Teilnehmenden
- Gezielte Nutzung der „Weisheit der Vielen“
Der Insights-Prozess ist als Beteiligungsverfahren und Konsultationsmethode radikal zugeschnitten auf eine bestimmte Form von Resultaten: Erkenntnisse. Eine Erkenntnis kann die Form eines konkreten Einzelhinweises zur Lösung eines Problems oder einer Aufgabe haben oder in einem umfassenden Bild bestehen, welches die Lösungskomponenten im Zusammenhang darstellt. Mit dem Fokus auf Erkenntnisse unterscheidet sich ein Insights-Prozess deutlich von Meinungsumfragen, wo Menge und Anteil abgegebener Stimmen entscheidungsrelevant sind. Auf der anderen Seite unterscheidet sich der Insights-Prozess aber auch von Beteiligungsformaten, in denen Gruppen von Teilnehmenden gemeinsam und im Konsens Lösungen erarbeiten. Bei einem Insights-Prozess steuern Teilnehmende stattdessen Teile eines Puzzles zur Lösung einer Aufgabenstellung oder eines Problems bei. Beteiligung geschieht hier im Modus der Mitwirkung oder der Kontribution.
Mit dem Fokus auf Erkenntnisse geht einher, dass Prozessbegleiter:innen in einem Insights-Prozess eher die Rolle von Ermittler:innen inne haben als jene von Moderator:innen. Anstatt Meinungs-O-Tönen zu sammeln, produzieren Prozessbegleiter:innen stilisierte Zitate, welche Gedanken zuspitzen. Fragen an Teilnehmende werden, wenn erforderlich, situativ angepasst. In der Auswertung kann die Zuordnung von Fragen und Antworten gegebenenfalls aufgehoben werden, um aus das Antwortmaterial frei und mit Blick auf Erkenntnisse zielgerichteter analysieren zu können.
Resultate
Eine Erkenntnis ist häufig einfach nur eine Zusammenfassung von Meinungen. Zu einer Erkenntnis werden diese Meinungen beispielsweise dadurch, dass sie Aufschluss über verschiedene Bedürfnisse und Wünsche innerhalb einer Zielgruppe geben oder einen Eindruck davon vermitteln, welche Ideen oder Argumente zumindest prima facie für erwägenswert gehalten werden. Zu einer Erkenntnis können Meinungen auch dadurch werden,weil sie Detailwissen beisteuern, dass vorher nicht bekannt oder vorher nicht ausreichend beachtet worden war. Nicht in jedem Fall muss eine Erkenntnis den Charakter von Wissen oder Information haben. Erkenntnisse können auch Einsichten sein. Beiträge von Konsultationsteilnehmenden können zum Beispiel ein nuanciertes oder ein pointiertes Urteil zum Ausdruck bringen. Wenn die beteiligende Instanz (oder der Entscheider oder die Entscheiderin) dadurch in den Stand gesetzt wird, die eigene Perspektive zu erweitern und die Position zu verändern oder einfach auf bereits bekannte Punkte noch einmal neu aufmerksam wird, dann ist auch dies eine Erkenntnis.
Was die Struktur betrifft, so können Erkenntnisse, anstelle einer Zusammenfassung, Schemata bedienen wie etwa “Problem/Lösung” oder bestimmte Akteure kennzeichnen, die für die Lösung eines Problems oder einer Aufgabe verantwortlich sind. Wiederum andere Erkenntnisse stellen Argumente für und wider einen Vorschlag oder eine Lösung dar oder haben die Abwägung zwischen mehreren Alternativen zum Gegenstand.
Bekannte und unbekannte Unbekannte
Eine häufige Kategorie von Erkenntnissen sind bekannte Unbekannte: Schlaglöcher auf einer Straße beispielsweise oder schlecht gestaltete Verkehrsstellen für Radfahrer (Abb. 1). Beteiligungsprozesse können ein Instrument sein, um über solche bekannten Unbekannten Informationen zu sammeln. Die Bürger wissen hier meist besser Bescheid als die Mitarbeiter in der Verwaltung.

Abbildung 1: Stellen, die im Rahmen einer Bürgerkonsultation in Monheim am Rhein als für Radfahrer gefährlich gemeldet wurden: “Berghausener Straße: Sehr dicke Wurzeln machen den Weg unsicher. Radwegezustand verbesserungswürdig: Kapellenstraße. zwischen Lottenstraße und Turmstraße, Baumberger Chaussee. Niederstraße: Radweg wurde vom breiten Bürgersteig verlegt – zwischen (!) Parkstreifen und fließenden Verkehr.”
Eine andere Kategorie sind unbekannte Unbekannte – also echte Überraschungen. Ein Beispiel: Zur Neugestaltung eines Skateplatzes in der Gemeinde Dornbirn im Land Vorarlberg (Österreich) wurde ein Beteiligungsprozess durchgeführt. Neben den erwartbaren Resultaten, die Details zur baulichen Gestaltung des Platzes betrafen, gab es eine überraschende Erkenntnis: Es stellte sich heraus, dass den jugendlichen Nutzer mehr als an den baulichen Details vor allem an einer hohen Eigenverantwortung gelegen war. Im Resultat wurden für die Nutzung des neuen Platzes gemeinsam Regeln erarbeitet und eingeführt (wie z.B. Helmpflicht, allgemeine Rücksichtnahme, Vorfahrt).
Erkenntnisse in Listenformat
Ein klassisches Format für Erkenntnisse ist die Liste. In der Erkenntnisliste erhält jeder einzelne Punkt eine Überschrift und eine Zusammenfassung; darunter werden die Original-Teilnehmendenbeiträge aufgeführt. Hier ein Beispiel einer (Unter-)Erkenntnis aus einem Konsultationsprozess, in dem darum geht, wie Künstliche Intelligenz in der Medizin so gestaltet werden kann, dass sie vertrauenswürdig ist. Die grau hinterlegten Zitate sind anonymisierte Beiträge von befragten Expert:innen:
Visualisierung aggregierter Informationen
Oftmals sind als Resultat eines Beteiligungsprozesses weniger einzelne Ideen interessant, sondern der Blick aufs große Ganze. Dies kann zum Beispiel eine Übersicht von Handlungsfeldern sein, auf denen es sich lohnen könnte, gezielte Aktivitäten zur Lösung eines Problems zu starten. Die klassische Darstellungsform für ein solches Resultat ist eine hierarchisch strukturiert Mindmap (siehe Abb. 1).

Abbildung 3: Eine Übersicht zu relevanten Handlungsfeldern (Taxonomie) als Resultat eines Beteiligungsprozesses.
In manchen Situationen bietet es sich an, die eingeflossenen Ideen von Seiten der Moderation noch einen Schritt weiter zu verarbeiten. Dazu kann beispielsweise eine Matrixanalyse Anwendung finden. Sie verdeutlicht den angesprochenen Erkenntnischarakter (siehe Abb. 4).

Abbildung 4: Faktoren, die die Arbeitszufriedenheit beeinflussen. Die Diagramme zeigen drei Analyseschritte in Sequenz: 1. Einteilung in positive und negative Faktoren. 2. Zusätzliche Unterteilung in arbeitsbezogene und menschenbezogene Faktoren. 3. Zusätzliche Kennzeichnung von veränderbaren (grün) und unveränderbaren (rot) Faktoren. Aus: Eppler, M. J.; Kernbach, S.; Pfister, R. A. (2016): Dynagrams-Denken in Stereo: Mit dynamischen Diagrammen schärfer denken, effizienter zusammenarbeiten und klarer kommunizieren, Stuttgart: Schäffer-Poeschel Verlag, S. 27.
Eine weitere Möglichkeit ist der Ziel- oder Problembaum. Hier werden die Schritte auf dem Weg zur Lösungsfindungen oder in der Beschreibung des Problems hierarchisch dargestellt – so, dass von oben nach unten gelesen die Punkte immer konkreter werden.

Abb. 5: Gelb = Zwei übergeordnete Ziele, die KMU für das Jahr 2030 anstreben. Grau = Maßnahmen (Lösungen), die zur Realisierung dieser Ziele ergriffen werden könnten.
Ein letztes Beispiel: Die Darstellung eines Prozesses, der von Teilnehmenden eines Konsultationsprozesses gemeinsam entwickelt wurde, in Form eines einfach gehaltenten Comics.

Abbildung 6: Eine Comic-Geschichte führt durch die Probleme, die bei der Nutzung eines Digitalen Assistenten entstehen (Ausschnitt). Der Assistent soll den Patienten beraten, ob er angesichts des Risikos einer Corona-Infektion dennoch zum Zahnarzt gehen soll. (Im April 2020 gab es dazu widersprüchliche Empfehlungen.) Teil der Story: Verschiedene Perspektiven, die als Personen auftreten, so wie die “Stimme der medizinischen Vernunft” oder “Daten Dave”, der das Geschehen mit Blick auf Probleme im Datenschutz und -management kommentiert.
Ablauf
Die Dramaturgie eines Insights-Prozesses kann auf verschiedene Weise gestaltet werden. Ein zugleich einfaches und bewährtes Schema ist der Start mit einer offenen Frage.
Offene Frage
Bei einer offenen Fragestellung werden meist Was-Fragen (also Ziel- oder Strategiefragen) oder Wie-Fragen (Umsetzungsfragen) genutzt, die ein ein konkretes Vorhaben zum Gegenstand haben: „Wir möchten gern das Stadtquartier XY neu gestalten, um Z zu erreichen. Was sollten wir dabei beachten? Wie können bisherige Angebote im Stadtquartier verbessert werden?“ Oft werden für die Fragestellung auch Szenarien verwendet wie „Versetzen Sie sich in die Lage Ihrer Konkurrenten: Was machen Ihre Konkurrenten in den Bereichen Innovations-, Wissens- und Personalmanagement besser?“ oder „Wir befinden uns zwei Jahre in der Zukunft. Ihr Projekt ist gescheitert. Was sind die Gründe dafür?“
Konsolidierung: Markierung von Kernaussagen
Aus den Antworten der Teilnehmenden werden Kernaussagen herausgearbeitet. Diese dienen in Zwischenschritten des Prozesses als Stellvertreter für die vollständigen Antworten.
Clustering
Kernaussagen werden in Gruppen und Untergruppen aufgeteilt. Die Gruppen können entweder eindimensional angelegt sein (so dass die Zugehörigkeit exklusiv ist und Aussagen entweder der einen oder der anderen Gruppe zugeordnet werden) oder mehrdimensional. Beim mehrdimensionalen Clustering stehen die Gruppierungen für verschiedene Hinsichten, in Bezug auf welche eine Kernaussage eingeordnet werden kann (so wie eine Kirsche innerhalb der Gruppierung „Obst“ in die Untergruppe „Kernobst“ fällt und gleichzeitig in der Gruppierung „verschiedenfarbige Dinge, die man essen kann“ in die Untergruppe „rote Dinge“).
Erkenntnisse
Die Resultate des Clusterings sind Basis für die abschließenden Erkenntnisse (siehe oben).
Entscheidung
Im Idealfall endet ein Insights-Prozess mit einer Entscheidung (oder einer Stellungnahme) des Auftraggebers. Für die Teilnehmenden bedeutet dies, dass sie von Anfang an eine klare Vorstellung haben, wie die Resultate des Insights-Prozesses sich in praktische Konsequenzen übersetzen. Auch für die Formulierung von Erkenntnissen ist es hilfreich, wenn diese von vornherein auf mögliche Entscheidungen oder Stellungnahmen hin konzipiert werden.
Feedback
Bereit die erzielten Erkenntnisse werden den Teilnehmenden des Prozesses präsentiert. Die Moderation hat hier die Gelegenheit, noch einmal Fragen zu stellen. Die Teilnehmenden haben ihrerseits die Möglichkeit, die zusammengefassten Erkenntnisse zu kommentieren. Am Ende des Prozesses informiert der Auftraggeber des Insights-Prozesses die Teilnehmenden umfassend über Entscheidungen, die auf Basis der erzielten Erkenntnisse getroffen werden.
Digitale Formate und Präsenz-Formate
Der Insights-Prozess kann durch Präsenzveranstaltungen, durch digitale Workshops und Telefon-Interviews sowie auch vollständig digital organisiert werden. Für öffentliche digitale Insights-Prozesse nutzen wir adhocracy+ und die Insights-Beteiligungsplattform.