Ehegattensplitting: Gender vs. soziale Gerechtigkeit

Die ZEIT (28/2017) führt eine Debatte über das Ehegattensplitting. Sollen gleichgeschlichtliche Paare mit der Ehe für alle auch gleich die Vorzüge des Ehegattensplittings genießen? Oder sollte man das Ehegattensplitting besser ganz abschaffen? Liesa Nienhaus ist dafür, das Ehegattenspllitting abzuschaffen. Sie schreibt:

„Es setzt Anreize, die nicht mehr zeitgemäß sind, weil es einseitig die Einverdiener-Ehe begünstigt.“

Kolja Rudzio hält dagegen:

„[Das Ehegattensplitting] sorgt dafür, dass Ehepaare mit gleich hohem Einkommen gleich besteuert werden, egal wie viel der eine oder andere zum Einkommen beiträgt. Der Staat schaut nicht darauf, wie viele Stunden welcher Ehegatte arbeitet, und er prüft auch nicht die Gründe dafür. Er verhält sich neutral und bewertet allein das Gesamteinkommen…. Kappt man …das Ehegattensplitting, [zahlen] Ehepaare […] mit gleichem Einkommen […] plötzlich unterschiedlich hohe Steuern. Gerechter wird es dadurch nicht.“

Wer hat recht? Zunächst: Beide! Die Situation, die Ehegattensplitting-Befürworter Rudzio ins Auge fasst, lässt sich so darstellen:

Die Aufstellung zeigt: Das Splitting macht es möglich, dass Paare mit gleichem Haushaltseinkommen auch gleich viele Steuern zahlen. Und: Durch eine Hochzeit können Paar mit unterschiedlichem Einkommen Steuerpunkte sparen. Darüber, ob das fair ist, mag man streiten. Rudzio meint: Ja! Denn: „[W]er standesamtlich heiratet, ob schwul, lesbisch oder heterosexuell, übernimmt Unterhaltspflichten für seinen Partner.“ Dies gilt besonders dann, wenn ein besser verdienender Partner Verantwortung für einen geringer verdienenden übernimmt.

Auf der anderen Seite: der Vorwurf, dass das Splitting die Hausfrauenehe begünstige, ist nicht aus der Luft gegriffen.

Dass sich das Splitting neutral verhält, gilt nur dann, wenn bei gleichbleibendem Haushaltseinkommen sich die Anteile der Partner ändern. Anders sieht es in der Situation aus, die klassischerweise vorliegt: Ein Partner verdient wenig bis gar nichts, möchte aber mehr verdienen. Für das Selbswertgefühl und die finanzielle Unabhängigkeit des betreffenden Partners mag das ein wichtiger Schritt sein. Für das Haushaltseinkommen lohnt sich dies aber kaum!

Zur Auswahl stehen zwei Szenarien, von denen jedes seine Vor- und Nachteile hat:

Auf der einen Seite: die Option auf Steuergerechtigkeit. Gleiche Haushaltseinkommen, gleiche Steueren. Auf der anderen Seite: Der Weg von gering verdienenden Partner in die Unabhängigkeit. Beides sind Aspekte von Fairness.

Fazit

Wer redlich für oder gegen Ehegattensplitting argumentieren möchte, der muss Vor- und Nachteile der verschiedenen Szenarien im Auge behalten. Das Argument für die Aufrechterhaltung des Ehegattensplittings wäre: „Insgesamt betrachtet, ist es wichtiger, dass Paare mit gleichem Haushaltseinkommen gleich viel Steuern zahlen, als dass innerhalb einer Ehe der geringer verdienende Partner einen starken Anreiz hat, sein Einkommen zu verbessern. Das Argument gegen das Splitting: „Insgesamt betrachtet, ist es wichtiger, dass innerhalb einer Ehe der geringer verdienende Partner einen starken Anreiz hat, sein Einkommen zu verbessern, als dass Paare mit gleichem Haushaltseinkommen gleich viel Steuern zahlen.“

14.07.2017

Ralf Grötker