So funktioniert’s: Man fokussiert auf eine These, die für die Debatte ausschlaggebend ist. Beispiel: Die These, dass Genfood gesundheitsschädlich sei. Für Gentechnik-Kritiker ist die These ist deshalb zentral, weil hier die Angst der Verbraucher gründet.
In der ZEIT kolpotierte Unterhaltung zwischen zwei Greenpeace-Leuten:
„Es gebe viele Argumente gegen Gentechnik, habe er zu […] gesagt, aber die Behauptung mit den Gesundheitsschäden sei Quatsch. Dafür gebe es keine wissenschaftliche Evidenz. [….] habe geantwortet: Wir bleiben dabei. Das Portemonnaie der Spender gehe nicht auf, wenn sie nicht Angst hätten um ihre Gesundheit. Alles andere sei zu kompliziert und nicht kampagnentauglich.“
Die Aufgabe besteht nun darin, ein anderes Argument zu konstruieren, in dem die besagte These neben anderen (plausiblen!) Prämissen vorkommt. Eine Ummantelung sozusagen. Das Argument sollte außerdem so beschaffen sein, dass sozusagen der Spieleinsatz dramatisch erhöht wird. Beispiel: „Golden Rice kann Vitamin A-Mangel mit tödlichen Konsequenzen für Kinder in Entwicklungsländern verhindern. Golden Rice ist Genfood. Wer den Einsatz von Golden Rice verhindert, der ist an dem Tod von Kindern, die an Vitamin A-Mangel sterben, mitschuldig.“
Der erwünschte Effekt: (1) Die volle Aufmerksamkeit wird auf die fragliche These („Golden Rice/Genfood ist gesundheitsschädlich“) gezogen. Wenn es gute Gründe dafür gibt, dass die These falsch ist, wird sich der Gegner nicht mehr davonstehlen kann, indem er versucht, andere Themen in den Vordergrund zu rücken.(2) Der Vorwurf kratzt an der moralischen Reputation des Gegners. Damit wird auch seine Glaubwürdigkeit in sachlichen Angelegenheiten fraglich. (3) Darüber, ob Greenpeace wirklich für den Tod von Kindern verantwortlich ist, kann man streiten. Aber selbst dann, wenn unsicher ist, ob die moralische Anschuldigung am Ende aufrecht erhalten werden kann: Allein die Möglichkeit, dass der Verzicht auf Golden Rice oder die Bekämpfung des Einsatzes von Golden Rice den Tod von Kindern verschulden könnte, senkt den Beweisstandard für den Nachweis der gesundheitlichen Unschädlichkeit von Golden Rice. Vage Befürchtungen über theoretisch mögliche Gesundheitsschäden müssen nun mit der Rettung von Leben aufgewogen werden. (Und ist die Bresche für Golden Rice einmal geschlagen, wird es ein leichtes sein, das Argument für die gesundheitliche Unbedenklichkeit auch für andere Arten von Genfood erfolgreich zu verteidigen.) Gleichzeitig verschiebt sich die Beweislast: Waren es vorher die Verfechter der Grünen Gentechnologie, die für den Einsatz genveränderter Pflanzen werben mussten, liegt es nun an den Kritikern, ihre Befürchtungen zu begründen.
Die Ummantelungs-Strategie ist vermutlich für viele andere Fälle ebenso gut anwendbar.
Die Dialogue Map rekonstruiert den Vorschlag zum Prozedere, der implitz mit dem Vorwurf „Greenpeace = für Kindertod verantwortlich einhergeht. Ansatzpunkte für Dissens: (a) Ist das vorgeschlagene Prozedere plausibel? (b) Sind die dargestellten Hypothesen wahr oder falsch? Schwarz umrandet: die Prämisse, die das Ziel des strategischen Angriffes ist.